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INSTITUT FÜR UMWELTSYSTEMFORSCHUNG


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9. Systemwissenschaftliches Kolloquium

Wintersemester 2002/03

18 Uhr c.t. - 20 Uhr s.t., Albrechtstr. 28, AVZ Raum 31/E06

 

 

31.10.2002
Dr. Markus Klein
, Institut für Atmosphärenphysik, GKSS-Forschungszentrum, Geesthacht

Hochwasser-Vorhersage: Modellsysteme für Planung und Frühwarnung.

Das Hochwasser an der Elbe und ihren Nebenflüssen verursachte 33 Todesfälle und einen materiellen Schaden in Höhe von ca. 13 Milliarden Euro. Ähnlich gravierend waren die Hochwasser an der Weichsel 2001 und an der Oder 1997, sowohl in der existenziellen Bedrohung für die Bewohner der betroffenen Gebiete als auch in der hydrologischen Einschätzung ("Jahrhundertflut"). Diese zufällige Häufung von Sommerhochwasser im östlichen Mitteleuropa wirft die Frage nach den meteorologischen Ursachen und der Wirkung des anthropogenen Klimawandels auf, den die Experten kontrovers diskutieren. Auf jeden Fall zeigt das gewaltige Schadensausmaß unsere Verwundbarkeit gegenüber lokalen und regionalen Hochwasserereignissen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, ein umfassendes Vorsorge- und Frühwarnsystem zu entwickeln und für eine Verbesserung der Planung von Schutzmaßnahmen und der frühzeitigen Information von Schutzkräften und Bevölkerung im Ernstfall einzusetzen. In dem Vortrag wird das modulare Hochwasser-Simulationssystem für die Oder ODRAFLOOD (GKSS) vorgestellt, das verschiedene Skalen und Anforderungsbereiche verbindet. Außerdem wird ein Ausblick auf die Entwicklung des europäischen Hochwasser-Vorhersagesystems EFFS (Delft Hydraulics) gegeben.

 

07.11.2002
Prof. Dr. Manfred Ehlers
, Institut für Umweltwissenschaften, Hochschule Vechta

Fernerkundung.

Nach einem Überblick über die Verfahren der Fernerkundung werden insbesondere die neuen digitalen Sensoren mit extrem hoher Bodenauflösung vorgestellt. Neue kommerzielle Satelliten liefern Pixelgrößen von unter einem Meter; hochgenaue flugzeuggestützte Stereoscanner dringen in Bereiche von weniger als 15 cm vor. Gleichzeitig ist es möglich, durch automatische Verfahren digitale Oberflächenmodelle (DOM) aus den Scannerdaten zu erzeugen, die eine dreidimensionale Auswertung möglich machen. Diese Entwicklungen münden zur Zeit in eine ‚Renaissance‘ der flugzeuggetragenen Fernerkundung (als Nachfolger der Luftbildfotografie), die allerdings auch neue Probleme bei der Auswertung erzeugt. Die für Satelliten mit Bodenauflösungen von 20 – 30 m entwickelten statistischen Verfahren sind nicht mehr anwendbar, weil die homogenisierende Wirkung der Pixelgrößen nicht mehr funktioniert. Dies erfordert die Entwicklung von neuen Werkzeugen zur automatischen Interpretation, die aus einer Kombination von segmentgestützter Bildanalyse, GIS-Integration und hierarchischer Vorgehensweise bestehen können. Erste Ergebnisse für die Klassifikation von Biotoptypen beim Umweltmonitoring und für urbane 3D-Anwendungen werden gezeigt.

 

14.11.2002
Dr. Peter Reichert
, EAWAG Dübendorf (CH)

Der Nutzen Bayesscher Methoden zur Entscheidungsunterstützung.

Im ersten Teil des Vortrags wird ein kurzer Überblick über die Grundlagen der frequentistischen und der Bayesschen Statistik gegeben und die darauf basierenden Methoden der nichtlinearen Regression, die für die Schätzung von Parameterwerten von Modellen besonders wichtig ist, einander gegenübergestellt. Anschliessend werden die Vor- und Nachteile beider Techniken diskutiert und Schlussfolgerungen über die Anwendungsbereiche gezogen. Im zweiten Teil werden einige ausgewählte Beispiele der Anwendung Bayesscher Methoden zur Entscheidungsunterstützung diskutiert und die im ersten Teil des Vortrags aufgrund von konzeptionellen Überlegungen gezogenen Schlussfolgerungen über die Nützlichkeit dieser Methoden für die Entscheidungsunterstützung untermauert. Ein besonderer Schwerpunkt wird auf Wahrscheinlichkeitsnetz­werkmodelle gelegt, deren spezifischer Anwendungs­bereich in erster Linie bei der Modellierung auf einem relativ hohen Aggregations­niveau liegt.

 

21.11.2002
Dr. Gerhard Lammel
, MPI für Meterologie, Hamburg

Globale Ausbreitung von persistenten organischen Schadstoffen.

In der Natur nicht abbaubare Fremdstoffe reichern sich in der Umwelt an, von denen einige inzwischen ubiquitär, d.h. auch in den entfernsten Gebieten nachweisbar sind. Sie stellen damit eine Gefährdung für die Ökosysteme und – vor allem vermittelt über die Nahrungsketten – die menschliche Gesundheit dar. Bezogen auf Multikompartiment-Stoffe, also solche, die sich in mehr als einem Umweltmedium aufhalten, existierte bislang kein geeignetes, Chemie und Transporte beschreibendes Modellwerkzeug. Um das Umwelt­verhalten dieser Stoffe studieren zu können und um ein Validierungswerkzeug für Entscheidungsinstrumente in der Chemikalienregulierung zu erzeugen, wird aufbauend auf Werkzeugen der Klimamodellierung ein globales Multikompartiment-Chemie-Transport-Modell entwickelt. Beim derzeitigen Stand sind die Transportprozesse in der Atmosphäre, die Austauschprozesse mit dem Ozean, den Böden und der Vegetation (jeweils als eine Deckschicht repräsentiert) und die Emissionen dynamisch abgebildet. Durch die Georeferenzierung und die realistische Abbildung von atmosphärischen Transporten ist eine globale Expositionsanalyse möglich, die die Realitätsnähe bisheriger Ansätze deutlich übertrifft. Die Effekte von Zeitpunkt, geographischem Ort und Art der Einbringung von Stoffen in die Umwelt können untersucht werden. Aussagen zu den Stoffrisiko-relevanten Eigenschaften Persistenz und Ferntransportpotential können auf der Basis geeigneter Maße gemacht werden und z.T. bislang nicht zugängliche Dimensionen dieser Eigenschaften erschlossen werden.

 

28.11.2002
Dr. Holger Lange
, Institut für terrestrische Ökosystemforschung, Universität Bayreuth

Agentenbasierte Modellierung in der Ökosystemforschung.

Der Ansatz, Ökosysteme als interagierende Multi-Agenten-Systeme zu modellieren, stellt eine technische wie konzeptionelle Herausforderung dar. Das gilt besonders für Systeme, in denen einer der Agenten der Mensch ist, entweder als Bestandteil des Modells (z.B. als simulierter Ökosystemmanager) oder als von "außen" eingreifender Modellbenutzer. Die Eingriffe in das System erfolgen bei echten interaktiven Systemen zu prinzipiell beliebigen Zeitpunkten während der Simulation, wobei der Ablauf der Eingriffe unvorhersehbar und auch vom bisherigen Simulatorverhalten abhängig ist. Damit entsteht ein rückgekoppeltes interaktives offenes System, das neue Modellklassen für Computer (jenseits der universellen Turing-Maschine) zu ihrer Beschreibung erfordert. Es sollen einerseits Softwarekonzepte diskutiert werden, die für diese Simulatorenklasse derzeit geeignet zu sein scheinen, andererseits werden Beispiele für Implementierungen gezeigt, die jeweils unterschiedliche Aspekte und Typen von Ökosystemen betonen: eine Sozialgemeinschaft (z.B. Herde), ein gemanagtes Waldökosystem und ein evolutionäres System synthetisierender Agenten.

 

12.12.2002
Prof. Dr. Ulrike Feudel
, Institut für Chemie und Biologie des Meeres, Universität Oldenburg

Zur Stabilität der thermohalinen Ozeanzirkulation.

Die thermohaline Ozeanzirkulation ist eine grossräumige, dichtegetriebene Zirkulation. Im Atlantik ist diese Zirkulation für den meridionalen Transport groß er Wärmemengen in die nördlichen Breiten verantwortlich und beeinflusst damit entscheidend das Klima in Westeuropa. Insbesondere vor dem Hintergrund der Diskussion um globale Erwärmung, die zu einem Zusammenbruch der Ozeanzirkulation führen könnte, ist es notwendig, die Wirkungsweise dieser Zirkulation,insbesondere jedoch ihre Stabilität gegenüber Störungen zu verstehen. Es werden konzeptionelle Modelle sowohl für diese grossskalige Zirkulation als auch für einen ihrer Teilprozesse, die Tiefenkonvektion des Ozeans, analysiert und mögliche Mechanismen des Zusammenbruchs der Zirkulation diskutiert. Beide Modelle zeigen koexistierende stabile Zustände. Frischwasserzufuhr und Atmosphärentemperatur sind dabei die wichtigsten Einflussgrößen. Stochastischer Antrieb führt zu einem Sprungprozess zwischen den einzelnen stabilen Zuständen. Ein Vergleich mit Beobachtungsdaten aus der Labrador-See gibt Hinweise auf eine sehr hohe Sensitivität der Tiefenkonvektion gegenüber Störungen.

 

19.12.2002
Prof. Dr. Juliane Filser
, Zentrum für Umweltforschung und -technologie, Universität Bremen

Risikoabschätzung und die dahinter stehenden theoretischen Konzepte.

Ökologie ist die komplexeste aller Biowissenschaften, Risikoforschung zählt zu den anspruchsvollsten Herausforderungen überhaupt. Beides zu verbinden erscheint daher zunächst als eine Quadratur des Kreises. Dennoch ist, gerade vor dem aktuellen Hintergrund der sich stets zu mehren scheinenden Umweltkatastrophen, Risikoforschung im ökologischen Kontext ein gesellschaftliches Erfordernis ersten Ranges. Die Arbeiten der Abteilung für Allgemeine und Theoretische Ökologie des Zentrums für Umweltforschung und Umwelt­technologie (UFT) an der Universität Bremen umspannen ein ausgesprochen breites methodisches Feld, von einfachen Labortests im molekularen Maßstab bis hin zu komplexen Freilanduntersuchungen auf der Ebene von Ökosystemen und Landschaften, von Literaturstudien bis zur räumlich expliziten Modellierung. Die untersuchten potentiellen Risikofaktoren umfassen nicht nur Chemikalien (z.B. diverse Altlasten, Antifouling-Biozide, Pflanzenschutzmittel, Lösungsmittelersatzstoffe), sondern auch gentechnisch veränderte Organismen oder elektromagnetische Strahlung. Auch die Lehre, insbesondere in Form von studentischen Projekten, setzt hier Akzente. Besonderer Wert wird darauf gelegt, keine isoliert-disziplinäre Forschung durchzuführen, sondern Lehre und Forschung wann immer möglich in einen breiten Kontext einzubinden. Hierzu gehört die interdisziplinäre Ko­operation, nicht nur im naturwissenschaftlichen, sondern auch im gesellschafts- und geistes­wissenschaftlichen Bereich, wie auch die Einbindung der Planungen und Arbeiten in übergeordnete und ineinander greifende theoretische Konzepte. Nicht nur praktische und wissenschaftstheoretische, sondern auch juristisch relevante Fragen werden bearbeitet. Im Vortrag werden die wesentlichen Züge des theoretischen Grundgerüsts der Risikoforschung in unserer Abteilung vorgestellt und anhand ausgewählter Projekte die Herangehensweise an praktischen Beispielen erläutert. Dabei werden auch (selbst-)kritische Abwägungen zwischen Erfordernissen, Versprechungen und Machbarem, also der unvermeidliche Balanceakt zwischen Wissenschaft und Politik, zur Sprache kommen.

 

09.01.2003
Prof. Dr. Anne van der Veen
, Universität Twente (NL)

Agent-based modelling of spatial economics.

In order to understand the mechanisms that are at the basis of land use changes and the formation of land use patterns, we study human behaviour at the microlevel in a spatial context. In current regional economic literature the microlevel has been underexposed. We introduced agent-based modelling techniques to help us to link micro and macrolevel of analysis. The agent-based models we present provide an illustration how to approach land use change issues from the microlevel. The models, which include economic theory, aspects of complexity theory and decision rules, show that it is possible to generate macrolevel land use patterns from microlevel spatial decision rules. The conclusion is that agent-based models are a fine tool to approach the simulation effort of microlevel processes. Most interestingly, bounded rationality, as resembled by a certain spatial visibility creates a variety of spatial patterns that comes close to real-world patterns.

 

16.01.2003
Prof. Dr. Gerrit Schüürmann
, Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH

Struktur-Wirkungs-Beziehungen in der chemischen Ökotoxikologie.

Ein derzeitiges Paradigma der Aquatischen Toxikologie knüpft an die Meyer-Overton-Theorie zur nar­­kotischen Wirkung chemischer Stoffe an. Danach ist jede organische Substanz mindestens so toxisch, wie dies ihrem mit der Hydrophobie verbundenen Potential zur Membranschädigung ent­spricht. In diesem Zusammenhang ist ein häufig verwendetes Hydrophobie-Maß der Okta­nol/Was­ser-Ver­tei­lungs­koef­­fizient in logarithmischer Form, log Kow, und die Minimaltoxizität kann da­raus mit Hilfe ein­facher Re­gressionsbeziehungen ab­ge­schätzt werden. Sofern spezifische Schad­effek­te wie etwa die von organischen Phosphorsäureestern aus­gelöste Hemmung der Acetylcholinesterase eine Rolle spie­len, ist die Toxizität i.a. gegenüber nar­kotisierend wirkenden bzw. mem­bran­schä­di­gen­­den Sub­stan­zen gleicher Hydrophobie erhöht. Hier bieten molekültheoretische Verfahren eine Mög­­­lich­keit, Wech­selwirkungspotentiale und spezifische Reaktivitäten chemischer Strukturen zu cha­rak­terisieren und in Kombination mit statistischen Analysen moleku­la­re Steuer­größen der to­xi­schen Pro­zes­se zu iden­­tifizieren. Auf diese Weise können Toxizitätsbefunde im Hinblick auf zu­grun­de liegenden Me­cha­nismen analysiert werden, was anhand verschiedener Stoffklassen und Wir­kungs­weisen illustriert wird.

 

23.01.2003
Dr. Horst Behrendt
, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin

MONERIS-Modellierung des Stoffhaushaltes in Landschaften.